10e 2020 21/Analyse narrativer Texte/Übungen Erzählperspektiven

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Aufgabe 1 Ordnen Sie die genannten Merkmale der jeweiligen Erzählperspektive zu.

Aufgabe 2

Schritt 1: Ordnen Sie die nachfolgenden Textbeispiele einer Erzählperspektive zu!

Schritt 2: Erläutern Sie in einem zweiten Schritt, welche Textmerkmale auf die entsprechende Erzählperspektive hinweisen bzw. wie sich der Erzähler verhält! Laden Sie sich hierzu die Textstellen auf dem folgenden Arbeitsblatt noch einmal herunter!


Erzählformen

Aufgabe: Ordnen Sie den einzelnen Erzählweisen die passenden Merkmale zu!

(→ Übung in learningapps.org Alexandra Weber)


Figurenrede

Aufgabe: Ordnen Sie den einzelnen Formen der Figurenrede die passenden Merkmale zu!

(→ Übung in learningapps.org Alexandra Weber)

Zeitgestaltung

Aufgabe: Ordnen Sie den genannten Formen der Zeitgestaltung die passende Definition zu.

(→ Übung in learningapps.org Alexandra Weber)


Zeitdehnung, Zeitdeckung oder Zeitraffung?

Aufgabe: Ordnen Sie die Textbeispiele entsprechend zu! Notieren Sie Ihre Antwort ins Heft!

Beispiel 1 „So verlief denn auch die Reise. Drüben in Jütland fuhren sie den Limfjord hinauf, bis Schloß Aggerhuus, wo sie drei Tage bei der Penzschen Familie verblieben, und kehrten dann mit vielen Stationen und kürzeren und längeren Aufenthalten in Viborg, Flensburg, Kiel, über Hamburg (das ihnen ungemein gefiel) in die Heimat zurück - nicht direkt nach Berlin in die Keithstraße, wohl aber vorher nach Hohen-Cremmen, wo man sich nun einer wohlverdienten Ruhe hingeben wollte.“

- Fontane: Effi Briest, S. 241

Beispiel 2 „Drei Jahre waren vergangen, und Effi bewohnte seit fast ebensolanger Zeit eine kleine Wohnung in der Königgrätzer Straße, zwischen Askanischem Platz und Halleschem Tor“

- Fontane: Effi Briest, S. 294

Beispiel 3 „Der Zug wurde sichtbar – er kam näher – in unzählbar sich überhastenden Stößen fauchte der Dampf aus dem schwarzen Maschinenschlote. Da: ein – zwei – drei milchweiße Dampfstrahlen quollen kerzengerade empor, und gleich darauf brachte die Luft den Pfiff der Maschine getragen. Dreimal hintereinander, kurz, grell, beängstigend. Sie bremsen, dachte Thiel, warum nur? Und wieder gellten die Notpfiffe schreiend, den Widerhall weckend, diesmal in langer, ununterbrochener Reihe. “

– Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel

Beispiel 4 Das junge Mädchen in der weißen Kittelschürze wandte sich der Rufenden zu. "Wir dürfen ihn [den Gips] nicht lockern, Frau Lehmann, sonst heilt das Bein schlecht zusammen. Sie müssen schon die Beschwerden mit Geduld ertragen." Geduld – war es nicht lächerlich, daß [sic] sie, die den Begriff Geduld am wenigsten kannte, sie andern predigte? Doktors Nesthäkchen und Geduld! Das war wie Wasser und Feuer, wie Licht und Finsternis. Hatte sie nicht eben erst eine Probe davon geliefert? Ach, hätte sie nur soeben ein wenig mehr Geduld und Sanftmut bewiesen, dann brauchte sie jetzt nicht mit tränenbrennenden Augen in den lachenden Lenztag hineinzuschauen. Er war doch nun mal ihr Vorgesetzter, von dem sie eine gerechtfertigte Mißbilligung [sic] hinzunehmen hatte. Wie oft hatte sie sich das schon gesagt. Und trotzdem war ihr Hitzkopf wieder mal mit allen guten Vorsätzen durchgegangen. Wenn es nur irgendein beliebiger Fremder gewesen wäre, der Assistenzarzt, dann hätte eine Äußerung der Unzufriedenheit von ihm nicht so ihren Stolz verletzt. Aber von Rudolf Hartenstein ertrug sie eine Zurechtweisung nicht. Alles in ihr bäumte sich dagegen auf. Und wenn er zehnmal recht hatte. Wäre sie doch niemals darauf eingegangen, am Krankenhaus Westend praktisch zu arbeiten. Wäre sie doch lieber in Vaters Klinik gegangen. (Nesthäkchen fliegt aus dem Nest, Ury 1921)

Beispiel 5 "Wie lang' wird denn das noch dauern? Ich muß auf die Uhr schauen... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so paßt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren... Erst viertel auf zehn?... Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt... Was ist es denn eigentlich? Ich muß das Programm anschauen... Ja, richtig: Oratorium! Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, daß man jeden Augenblick fortgehen kann." (Schnitzler, Leutnant Gustl)


Beispiel 6 "Auf diesen Anblick war er nicht vorbereitet. Das ist ja Zauberei, zwei kleine, weiße blaugestreifte Zelluloidbälle springen auf dem Parkett nebeneinander auf und ab; schlägt der eine auf den Boden, ist der andere in der Höhe, und unermüdlich führen sie ihr Spiel aus. […] Er will einen fassen, aber sie weichen vor ihm zurück und locken ihn im Zimmer hinter sich her. Es ist doch zu dumm, denkt er, so hinter den Bällen herzulaufen, bleibt stehen und sieht ihnen nach, wie sie, da die Verfolgung aufgegeben scheint, auch auf der gleichen Stelle bleiben. Ich werde sie aber doch zu fangen suchen, denkt er dann wieder und eilt zu ihnen. Sofort flüchten sie sich, aber Blumfeld drängt sie mit auseinandergestellten Beinen in eine Zimmerecke, und vor dem Koffer, der dort steht, gelingt es ihm, einen Ball zu fangen. Es ist ein kühler, kleiner Ball und dreht sich in seiner Hand, offenbar begierig zu entschlüpfen. Und auch der andere Ball, als sehe er die Not seines Kameraden, springt höher als früher und dehnt die Sprünge, bis er Blumfelds Hand berührt." (Kafka, Blumfeld)


Rückblende oder Vorausdeutung

Aufgabe Welcher der beiden Texte beinhaltet eine Rückblende, welcher eine Vorausdeutung? Begründen Sie Ihre Auffassung ins Heft! Beziehen Sie hierfür Textelemente mit ein!

Beispiel 1 (Franz Biberkopf wird von seinem absoluten Feind Reinhold nach einem Einbruch mit der Pumsbande aus einem Lastwagen vor ein Auto geworfen: Er wacht am 9. April vormittags in einer Privatklinik in Magdeburg auf und dann wird erzählt, was des Nachts in Berlin geschah.)

Das große Privatauto, in das Franz Biberkopf gelegt wird ‑ohne Bewusstsein, er hat Kampfer und Skopolaminmorphium bekommen ‑ rast zwei Stunden. Dann ist man in Magdeburg. Nahe einer Kirche wird er ausgeladen, in der Klinik läuten die beiden Männer Sturm. Er wird noch in der Nacht operiert ...

Um elf ist Verbandswechsel. Es ist Montag vormittags ‑ die Urheber des Malheurs krakehlen um diese Stunde, einschließlich Reinhold, fröhlich und schwerbesoffen bei ihrem Hehler in Weißensee ‑, Franz ist ganz wach, liegt in einem feinen Bett, in einem feinen Zimmer, die Brust ist ihm eng und furchtbar ein­gepackt, er fragt die Schwester, wo er ist. Die sagt, was sie von der Nachtschwester gehört hat und bei dem Gespräch vorhin aufgeschnappt hat. Er ist wach. Versteht alles, tastet nach seiner rechten Schulter. Die Schwester legt die Hand wieder zurück: ganz ruhig liegen. Da war in dem Straßenmatsch aus seinem Ärmel Blut gelaufen, er hatte es gefühlt. Dann waren Leute neben ihm, und in dem Moment geschah etwas in ihm. In dem Moment ereignete sich etwas in ihm. Was hatte sich in dem Moment in Franz ereignet? Er hatte eine Entscheidung getroffen. Bei den eisernen Armschlägen Reinholds im Hausflut am Bülowplatz hatte er gezittert, der Boden zitterte unter ihm, Franz begriff nichts.

Als das Auto mit ihm fuhr, zitterte der Boden noch, Franz wollte es nicht merken, aber es war doch da.

Wie er dann im Matsch lag, 5 Minuten Unterschied, bewegte es sich in ihm. Es riss etwas durch, es brach durch und tönte, tönte. Franz ist steinern, er fühlt, ich bin überfahren, er ist kühl und ruhig. Franz merkt, ich geh vor die Hunde ‑ und er gibt Befehle. Vielleicht geh ich kaputt, schadt nichts, aber ich geh nicht kaputt. Vorwärts. Man bindet ihm mit seinem Hosenträger den Arm ab. Dann wollen sie ihn ins Krankenhaus Pankow fahren. Aber er passt wie ein Schießhund auf jede Bewegung: Nein, nicht ins Krankenhaus, und sagt eine Adresse. Welche Adresse? Elsässerstraße, Herbert Wischow, sein Kollege aus einer früheren Zeit, vor Tegel. Die Adresse ist im Moment da. Das bewegt sich in ihm, wie er im Matsch liegt, reißt durch, bricht durch, tönt und tönt. Im Moment ist der Ruck in ihm erfolgt, es gibt keine Unsicherheit.

Sie sollen mich nicht erwischen. Er ist sicher, Herbert wohnt noch da und ist jetzt zu Haus. Die Leute rennen durch das Lokal in der Elsässerstraße, sie fragen nach einem Herbert Wischow. Da steht schon ein schlanker junger Mann auf neben einer schönen schwarzen Frau, was ist los, was, draußen im Auto, rennt mit ihnen zum Auto raus, das Mädchen hinterher, das halbe Lokal mit. Franz weiß, wer jetzt kommt. Er befiehlt der Zeit.

Franz und Herbert erkennen sich. Franz flüstert ihm zehn Worte zu, die machen draußen Platz , Franz wird im Lokal hinten auf ein Bett gelegt, ein Arzt wird geholt, Eva, die schöne Schwarze, bringt Geld. Sie ziehen ihm andere Sachen an. Eine Stunde nach dem Überfall fährt man im Privatauto aus Berlin nach Magdeburg.

- aus: A. Döblin, Berlin Alexanderplatz


Beispiel 2

Zweites Buch

Damit haben wir unseren Mann glücklich nach Berlin gebracht. Er bat seinen Schwur getan, und es ist die Frage, ob wir nicht einfach aufhören sollen. Der Schluss scheint freundlich und ohne Verfänglichkeit, es scheint schon ein Ende, und das Ganze bat den großen Vorteil der Kürze.

Aber es ist kein beliebiger Mann, dieser Franz Biberkopf. Ich habe ihn hergerufen Zu keinem Spiel, sondern zum Erleben seines schweren, wahren und aufhellenden Daseins.

Franz Biberkopf ist schwer gebrannt, er steht jetzt vergnügt und breitbeinig im Berliner Land, und wenn er sagt, er will anständig sein, so können wir ihm glauben, er wird es sein.

Ihr werdet sehen, wie er wochenlang anständig ist. Aber das ist gewissermaßen nur eine Gnadenfrist.

- aus: A. Döblin, Berlin Alexanderplatz





Quellen:


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