10e 2020 21/Analyse narrativer Texte: Unterschied zwischen den Versionen
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Ordnen Sie die nachfolgenden Textbeispiele einer Erzählperspektive zu. Erläutern Sie nachfolgend, warum... | Ordnen Sie die nachfolgenden Textbeispiele einer Erzählperspektive zu. Erläutern Sie nachfolgend, warum... | ||
Version vom 4. Oktober 2020, 09:11 Uhr
ERZÄHLFORMEN IN ERZÄHLENDEN TEXTEN: ÜBUNGEN
Auf dieser Seite kannst du deine Kenntnisse vertiefen bzw. überprüfen. Solltest du noch einmal einen Überblick zum Erzählverhalten benötigen, kannst du gerne auf der folgenden Seite Analyse eines Erzähltextes nachlesen. Viel Spaß mit den Übungen!
- Aufgabe 1
Ordnen Sie die genannten Merkmale der jeweiligen Erzählperspektive zu.
- Aufgabe 2
Ordnen Sie die nachfolgenden Textbeispiele einer Erzählperspektive zu. Erläutern Sie nachfolgend, warum...
„Ich bin zurückgekehrt, ich habe den Flur durchschritten und blicke mich um. Es ist meines Vaters alter Hof. Die Pfütze in der Mitte. Altes, unbrauchbares Gerät, ineinander verfahren, verstellt den Weg zur Bodentreppe. Die Katze lauert auf dem Geländer. Ein zerrissenes Tuch, einmal im Spiel um eine Stange gewunden, hebt sich im Wind. Ich bin angekommen. Wer wird mich empfangen? Wer wartet hinter der Tür der Küche?“ (Kafka, Heimkehr)
<popup name="Lösung">
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„An einem unfreundlichen Novembertag wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen, reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, welchen er, in Ermangelung irgendeiner Münze, unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihn ordentlich von diesem Drehen und Reiben. Denn er hatte wegen des Falliments irgendeines Seldwyler Schneidermeisters seinen Arbeitslohn mit der Arbeit zugleich verlieren und auswandern müssen. Er hatte noch nichts gefrühstückt als einige Schneeflocken, die ihm in den Mund geflogen, und er sah noch weniger ab, wo das geringste Mittagbrot herwachsen sollte. Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleide, welches sein einziges war, einen weiten, dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Samt ausgeschlagen, der seinem Träger ein, edles und romantisches Aussehen verlieh, zumal dessen lange, schwarze Haare und Schnurrbärtchen sorgfältig gepflegt waren und er sich blasser, aber regelmäßiger Gesichtszüge erfreute.“ (Keller, Kleider machen Leute)
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<popup name="Lösung">
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„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Rosshändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit. - Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können. Er besaß in einem Dorfe, das noch von ihm den Namen führt, einen Meierhof, auf welchem er sich durch sein Gewerbe ruhig ernährte; die Kinder, die ihm sein Weib schenkte, erzog er, in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue; nicht einer war unter seinen Nachbarn, der sich nicht seiner Wohltätigkeit, oder seiner Gerechtigkeit erfreut hätte; kurz, die Welt würde sein Andenken haben segnen müssen, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.“ (Kleist, Michael Kohlhaas)
<popup name="Lösung"> typische Merkmale der auktorialen Erzählperspektive:
In äußerst knapper Form stellt der Erzähler dabei zu Beginn in einer Art Einführung die Titelfigur vor, deren Name, Beruf und Herkunft im ersten Satz mitgeteilt wird. Danach wird der Handlungsort beschrieben und kommen die wirtschaftliche Lage und familiären Verhältnisse von Michael Kohlhaas zur Sprache, wird die Handlung räumlich und zeitlich situiert. Schließlich kommen bestimmte Charaktereigenschaften von Kohlhaas zur Sprache, die mit seinem Erziehungshandeln gegenüber seinen Kindern "in der Furcht Gottes, zur Arbeitsamkeit und Treue" weitgehend nüchtern, sachlich und ohne jede Kommentierung vom Erzähler vorgetragen werden. </popup>
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt. Er lag auf seinem panzerartig harten Rücken und sah, wenn er den Kopf ein wenig hob, seinen gewölbten, braunen, von bogenförmigen Versteifungen geteilten Bauch, auf dessen Höhe sich die Bettdecke, zum gänzlichen Niedergleiten bereit, kaum noch erhalten konnte. Seine vielen, im Vergleich zu seinem sonstigen Umfang kläglichen dünnen Beine flimmerten ihm hilflos vor den Augen.“ (Kafka, Die Verwandlung)
<popup name="Lösung"> typische Merkmale der personalen Erzählperspektive:
Wir erfahren nicht, wie es von außen aussieht, wenn der Käfer im Bett liegt, sondern die Rede ist davon, wie seine Beine “ihm hilflos vor den Augen” flimmern und davon, was er erkennen kann, “wenn er den Kopf ein wenig hob”. Der personale Erzähler ist also in dem, wovon er berichten darf, eingeschränkt, dafür sind seine Schilderungen aber viel eindringlicher als die eines allwissenden Erzählers, denn er bringt die Leser viel näher an die Figur heran. Der Leser weiß also genauso viel wie die dargestellte Figur.
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Erzählformen
- Aufgabe
Ordnen Sie den einzelnen Erzählweisen die passenden Merkmale zu!
Szenisches Erzählen
Kontinuierliches Erzählen
Diskontinuierliches Erzählen
Berichtendes Erzählen
oft bewusstes Spiel mit Erzählbrüchen und ZeitsprüngenVorherrschen von ErzählberichtenEinhalten der chronologischen Abfolge im HandlungsverlaufDominanz von Dialogenkaum DialogeZurücktreten der Personenrede (Figurenrede)Bewusstes Durchbrechen der chronologischen AbfolgeVermeiden von Erzählbrüchen und ZeitsprüngenZurücktreten berichtender PassagenÜberwiegen von Personenreden (Figurenreden)kaum Erzählerberichte
Figurenrede
- Aufgabe
Ordnen Sie den einzelnen Formen der Figurenrede die passenden Merkmale zu!
Innerer Monolog/Bewusstseinsstrom
direkte Rede
erlebte Rede
Rede-/Gedankenbericht
indirekte Rede
Anführungszeichenzusammenfassende Wiedergabe der Inhalte der Gedanken/Rede durch einen Erzähler3. PersonGedanken werden wörtlich zitiertGedanken einer Figur werden unmittelbar durch einen auktorialen Erzähler wiedergegebenÄußerungen einer Figur werden wörtlich wiedergegebenKonjunktivErzähler gibt Äußerungen einer Figur 1:1 wiederBeibehaltung der Perspektive der Figurunstrukturierte und assoziative SätzeGrammatik spielt keine RolleRedeankündigungDoppelpunktNebensätze mit "dass"Vergangenheit
Zeitgestaltung
- Aufgabe
Ordnen Sie den genannten Formen der Zeitgestaltung die passende Definition zu.
Erzählzeit
Erzählte Zeit
Zeitraffung
Erzählzeit ist größer als die erzählte Zeit (z. B. beim inneren Monolog oder Bewusstseinsstrom bzw. Sekundenstil)
Zeitdeckung
Zeitraum, über den sich die erzählte Geschichte erstreckt.Zeit, die der Erzähler für die Wiedergabe seiner Geschichte braucht bzw. die der Leser zur Lektüre benötigt.Erzählte Zeit ist größer als die Erzählzeit.ZeitdehnungErzählzeit und erzählte Zeit (annähernd) identisch (z. B. bei Dialogen)
- Aufgabe
- Zeitdehnung oder Zeitraffung?
„So verlief denn auch die Reise. Drüben in Jütland fuhren sie den Limfjord hinauf, bis Schloß Aggerhuus, wo sie drei Tage bei der Penzschen Familie verblieben, und kehrten dann mit vielen Stationen und kürzeren und längeren Aufenthalten in Viborg, Flensburg, Kiel, über Hamburg (das ihnen ungemein gefiel) in die Heimat zurück - nicht direkt nach Berlin in die Keithstraße, wohl aber vorher nach Hohen-Cremmen, wo man sich nun einer wohlverdienten Ruhe hingeben wollte.“
- Fontane: Effi Briest, S. 241
„Drei Jahre waren vergangen, und Effi bewohnte seit fast ebensolanger Zeit eine kleine Wohnung in der Königgrätzer Straße, zwischen Askanischem Platz und Halleschem Tor“
- Fontane: Effi Briest, S. 294
„Der Zug wurde sichtbar – er kam näher – in unzählbar sich überhastenden Stößen fauchte der Dampf aus dem schwarzen Maschinenschlote. Da: ein – zwei – drei milchweiße Dampfstrahlen quollen kerzengerade empor, und gleich darauf brachte die Luft den Pfiff der Maschine getragen. Dreimal hintereinander, kurz, grell, beängstigend. Sie bremsen, dachte Thiel, warum nur? Und wieder gellten die Notpfiffe schreiend, den Widerhall weckend, diesmal in langer, ununterbrochener Reihe. “
– Gerhart Hauptmann: Bahnwärter Thiel
- Aufgabe
- Rückblende und Vorausdeutung
Welcher der beiden Texte beinhaltet eine Rückblende, welcher eine Vorausdeutung? Begründen Sie Ihre Auffassung!
- Beispiel 1
(Franz Biberkopf wird von seinem absoluten Feind Reinhold nach einem Einbruch mit der Pumsbande aus einem Lastwagen vor ein Auto geworfen: Er wacht am 9. April vormittags in einer Privatklinik in Magdeburg auf und dann wird erzählt, was des Nachts in Berlin geschah.)
Das große Privatauto, in das Franz Biberkopf gelegt wird ‑ohne Bewusstsein, er hat Kampfer und Skopolaminmorphium bekommen ‑ rast zwei Stunden. Dann ist man in Magdeburg. Nahe einer Kirche wird er ausgeladen, in der Klinik läuten die beiden Männer Sturm. Er wird noch in der Nacht operiert ...
Um elf ist Verbandswechsel. Es ist Montag vormittags ‑ die Urheber des Malheurs krakehlen um diese Stunde, einschließlich Reinhold, fröhlich und schwerbesoffen bei ihrem Hehler in Weißensee ‑, Franz ist ganz wach, liegt in einem feinen Bett, in einem feinen Zimmer, die Brust ist ihm eng und furchtbar eingepackt, er fragt die Schwester, wo er ist. Die sagt, was sie von der Nachtschwester gehört hat und bei dem Gespräch vorhin aufgeschnappt hat. Er ist wach. Versteht alles, tastet nach seiner rechten Schulter. Die Schwester legt die Hand wieder zurück: ganz ruhig liegen. Da war in dem Straßenmatsch aus seinem Ärmel Blut gelaufen, er hatte es gefühlt. Dann waren Leute neben ihm, und in dem Moment geschah etwas in ihm. In dem Moment ereignete sich etwas in ihm. Was hatte sich in dem Moment in Franz ereignet? Er hatte eine Entscheidung getroffen. Bei den eisernen Armschlägen Reinholds im Hausflut am Bülowplatz hatte er gezittert, der Boden zitterte unter ihm, Franz begriff nichts.
Als das Auto mit ihm fuhr, zitterte der Boden noch, Franz wollte es nicht merken, aber es war doch da.
Wie er dann im Matsch lag, 5 Minuten Unterschied, bewegte es sich in ihm. Es riss etwas durch, es brach durch und tönte, tönte. Franz ist steinern, er fühlt, ich bin überfahren, er ist kühl und ruhig. Franz merkt, ich geh vor die Hunde ‑ und er gibt Befehle. Vielleicht geh ich kaputt, schadt nichts, aber ich geh nicht kaputt. Vorwärts. Man bindet ihm mit seinem Hosenträger den Arm ab. Dann wollen sie ihn ins Krankenhaus Pankow fahren. Aber er passt wie ein Schießhund auf jede Bewegung: Nein, nicht ins Krankenhaus, und sagt eine Adresse. Welche Adresse? Elsässerstraße, Herbert Wischow, sein Kollege aus einer früheren Zeit, vor Tegel. Die Adresse ist im Moment da. Das bewegt sich in ihm, wie er im Matsch liegt, reißt durch, bricht durch, tönt und tönt. Im Moment ist der Ruck in ihm erfolgt, es gibt keine Unsicherheit.
Sie sollen mich nicht erwischen. Er ist sicher, Herbert wohnt noch da und ist jetzt zu Haus. Die Leute rennen durch das Lokal in der Elsässerstraße, sie fragen nach einem Herbert Wischow. Da steht schon ein schlanker junger Mann auf neben einer schönen schwarzen Frau, was ist los, was, draußen im Auto, rennt mit ihnen zum Auto raus, das Mädchen hinterher, das halbe Lokal mit. Franz weiß, wer jetzt kommt. Er befiehlt der Zeit.
Franz und Herbert erkennen sich. Franz flüstert ihm zehn Worte zu, die machen draußen Platz , Franz wird im Lokal hinten auf ein Bett gelegt, ein Arzt wird geholt, Eva, die schöne Schwarze, bringt Geld. Sie ziehen ihm andere Sachen an. Eine Stunde nach dem Überfall fährt man im Privatauto aus Berlin nach Magdeburg.
- aus: A. Döblin, Berlin Alexanderplatz
- Beispiel 2
Zweites Buch
Damit haben wir unseren Mann glücklich nach Berlin gebracht. Er bat seinen Schwur getan, und es ist die Frage, ob wir nicht einfach aufhören sollen. Der Schluss scheint freundlich und ohne Verfänglichkeit, es scheint schon ein Ende, und das Ganze bat den großen Vorteil der Kürze.
Aber es ist kein beliebiger Mann, dieser Franz Biberkopf. Ich habe ihn hergerufen Zu keinem Spiel, sondern zum Erleben seines schweren, wahren und aufhellenden Daseins.
Franz Biberkopf ist schwer gebrannt, er steht jetzt vergnügt und breitbeinig im Berliner Land, und wenn er sagt, er will anständig sein, so können wir ihm glauben, er wird es sein.
Ihr werdet sehen, wie er wochenlang anständig ist. Aber das ist gewissermaßen nur eine Gnadenfrist.
- aus: A. Döblin, Berlin Alexanderplatz
- MERKE
In vielen Texten wird die Erzählperspektive nicht streng eingehalten ‑ es findet dabei meistens ein Wechsel zwischen der auktorialen und der personalen Erzählperspektive statt. Wenn man die Erzählperspektive eines Prosatextes untersucht, sollte man untersuchen, wie der Autor mit den hier skizzierten Grundtypen. umgeht und in welcher Weise er die Möglichkeiten der jeweiligen Erzählperspektive nutzt.
Quellen:
- Grundbegriffe der Textanalyse (ZUM.de)
- Wikipedia: Sekundenstil