10f 2021 22/Deutsch/Beispielaufsatz
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Einleitungsgedanke
Zugfahren kann eine schöne, manchmal auch eine laute Angelegenheit sein. Gelegentlich ermöglicht Zugfahren aber auch neue Bekanntschaften, wie in der vorliegenden Kurzgeschichte "Wahnsinnstyp" oder "Während sie schläft" von Katja Reider, erschienen im Auer-Verlag. Ein junges Mädchen trifft im Zug auf einen Jungen, den sie attraktiv findet. Allerdings nimmt sie an, dass er eine Freundin hat, was sich am Ende in Luft auflöst.
Inhaltszusammenfassung
Der Leser wird bereits zu Beginn der Kurzgeschichte in die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin eingeführt. Die Handlung spielt in einem Zug. Im Fokus der Handlung stehen drei Figuren: Die Ich-Erzählerin, der "Wahnsinnstyp" und dessen vermeintliche Freundin. Dabei wird das erste Aufeinandertreffen der beiden Hauptfiguren im Zug aus der Perspektive der Ich-Erzählerin beschrieben. In Gedanken reflektiert sie dies und grübelt darüber nach, wie sich die beiden kennengelernt haben bzw. wie das mit der ersten Liebe so ist. Gleichzeitig reflektiert sie sich selbst anhand ihres Gegenübers, wobei deutlich wird, dass sie die vermeintliche Freundin eher auf ein Podest hebt und sich selbst herabsetzt. Dabei geht sie auch in der Beschreibung auf den "Wahnsinnstypen" näher ein und legt ihre eigene Schüchternheit und ihr geringes Selbstvertrauen an den Tag. Als die vermeintliche Freundin plötzlich den Zug verlässt, wird sie jäh aus ihren Gedanken gerissen und erkennt, dass ihr Gegenüber das Mädchen auch nicht kannte. Es folgt schließlich ein Gespräch zwischen den beiden, wobei das Ende offen bleibt. Dennoch zeigt sich an der Aussage "Das schaffe ich!", dass sich die Einstellung der Ich-Erzählerin gewandelt hat. Nun scheint alles möglich zu sein.
Erzählweise
Die vorliegende Kurzgeschichte wird von der Ich-Perspektive dominiert: ,,Verdammt, jetzt ist mein Fuß eingeschlafen!" (Z.1) Der Leser wird zu Beginn unmittelbar in die Gedankenwelt der Ich-Erzählerin, einem jungen Mädchen (vgl. Jugendsprache, z.B. ,,Trendiges", Z.45, oder ,,Coolness", Z.53), geworfen, das in einem Zug einem Wahnsinnstypen (Z.38) gegenübersitzt. Damit agiert die Erzählerin selbst als handelnde Person und ist zentraler Bestandteil des Geschehens, wobei sie gleichzeitig nur eine beschränkte Perspektive besitzt. Dies zeigt sich in ihrer Unwissenheit bzw. der Annahme, dass ihr Gegenüber eine Freundin hat. Insgesamt dominieren in der Kurzgeschichte die persönlichen Gedanken des Mädchens, die sehr emotional gestaltet sind, wie sich an der Sprache (Gedankenstriche, Ellipsen, Auslassungen etc.) erkennen lässt. Offensichtlich ist die Erzählerin sehr emotional bewegt. Insgesamt äußert sie sich zunächst eher pessimistisch, gleichzeitig auch sarkastisch über sich selbst und ihre eigenen Unsicherheiten (vgl. Z.38ff.), beschreibt aber auch anschaulich und mit Metaphern (,,die Rollkoffer-Karawane", Z.10) sowie Vergleichen (,,bewegungslos wie ein hypnotisiertes Kaninchen", Z.2; ,,Sie sieht im Schlaf aus wie ein Engel.", Z.41f.) ihr Gegenüber und die nähere Umgebung. Dabei kommentiert sie das Verhalten des Mädchens mit persönlichem Unverständnis: ,,Jedenfalls schläft Frau in dieser Phase nicht neben so einem Wahnsinnstypen ein!" (Z.38) Dass ihr ihr Gegenüber, der ,,Wahnsinnstyp", sehr gut gefällt zeigt sich schon zu Beginn in Z.4. Mittels einer Ellipse und der Schrift in Großbuchstaben (,,ER!") wird der Blick des Lesers durch den Erzähler auf die zweite Hauptperson in der Handlung gerichtet. Damit verbunden ist ein Wechsel vom Präsens in das Präteritum bzw. eine Rückblende in Gedanken. So schildert die Erzählerin in Z. 5 ff. die erste Begegnung mit ihrem Gegenüber. Im Allgemeinen wird die Handlung der Erzählung überwiegend in einem inneren Monolog und damit eher zeitdeckend wiedergegeben. Unterbrochen wird der Gedankengang schließlich durch einen Erzählbericht, der dokumentiert, wie die vermeintliche Freundin den Zug fluchtartig verlässt. Dieser Punkt bildet gleichzeitig die Überleitung zum szenischen Berichten (vgl. wörtliche Rede), denn im Folgenden entsteht ein Dialog zwischen den beiden, der von kurzen Gedankenfetzen der Erzählerin unterbrochen wird. (vgl. Z.70ff.) Damit überwiegt neben der Innenperspektive in der Erzählung insbesondere das zeitdeckende Erzählen.
Charakterisierung
Die Ich-Erzählerin ist ca. 16-20 Jahr alt, was vor allem an der jugendlichen Sprache, welche sie häufig verwendet, erkennbar ist. Textpassagen wie ,,Trendiges" (Z.45), ,,pennt" (Z.28) oder ,,Braut mit Eminem beschallen" (Z. 57f.) bekräftigen und unterstreichen diese Aussage. Name, Aussehen sowie Berufsstand der Hauptprotagonistin sind aus der Kurzgeschichte nicht zu entnehmen. Über ihre sozialen Beziehungen lässt sich auch sehr wenig sagen. Allerdings lässt sich herauslesen, dass sie scheinbar Single und auf der Suche nach einem Freund ist. (,,(...) kann ich mir den Typ gegenüber angucken", Z. 15) Offensichtlich hat sie Interesse an dem "Wahnsinnstypen", hat aber scheinbar keine Erfahrungen in Beziehungen: ,,So ist das am Anfang, oder etwa nicht?" (Z.37) Diese Frage deutet stark darauf hin, dass sie bisher noch keinen Freund beziehungsweise noch keine Beziehung hatte. Aus der Innensicht der Ich-Erzählerin lässt sich deutlich mehr herauslesen. Sie scheint schüchtern, besser gesagt nervös zu sein: ,,Seit über einer Stunde hocke ich hier und bin zur Salzsäule erstarrt." (Z. 16f.) So hat sie scheinbar kein besonderes Selbstbewusstsein, was deutlich anhand der Vergleiche mit der vermeintlichen Freundin des "Wahnsinnstypen" herauszulesen ist. Vielmehr hebt sie diese auf ein Podest: ,,Sie sieht im Schlaf aus wie ein Engel." (Z. 41f.) - ,,Ich zumindest hätte viel zu viel Angst, dass mir der Sabber aus dem Mund läuft (...)." (Z. 42) Im Gegensatz zur in ihrer Wahrnehmung "perfekten" Freundin degradiert sie sich selbst im Rahmen des Vergleiches. Insgesamt wirkt sie sehr nachdenklich und ruhig (vgl. Gedankenrede im Text). So geht sie stets davon aus, dass die Begleiterin die Freundin des Wahnsinnstypen ist. Als diese aber schlichtweg ohne Gruß fluchtartig den Zug verlässt, ändert sich die Situation und das Verhalten der Ich-Erzählerin: "62 Minuten, um den Wahnsinnstypen zu erobern... Das schaffe ich!" (Z. 84 ff.) Die Ich-Erzählerin wirkt wie verwandelt und scheint nun plötzlich von ihrer Sympathie und Ausstrahlung überzeugt. Beschäftigt man sich nun näher mit dem Jungen - auch bekannt als der "Wahnsinnstyp" in der Geschichte -, so erfährt man, dass er zwischen 16-20 Jahre alt ist. (vgl. Z. 77) Die Ich-Erzählerin findet ihn attraktiv, was sich an der Beschreibung des Äußeren hervorheben lässt: Der junge Mann hat dunkle, wuschelige Locken (vgl. Z. 46) und grüne, mit kleinen Sprengseln durchwirkte Augen (vgl. Z. 49). Besonders gut gefällt der Ich-Erzählerin, dass er Grübchen hat. (vgl. Z.50) Insgesamt wirkt er sehr rücksichtsvoll, da er sich z.B. langsam bewegt, um das schlafende Mädchen - die dritte Figur in der Erzählung - nicht zu stören. (vgl. Z.55f.) Zwischen den Zeilen lässt sich herauslesen, dass Lesen offenbar zu seinem Hobby gehört, da er während der gesamten Fahrt ein Buch liest: ,,Der Wahnsinnstyp sitzt ganz ruhig da und liest konzentriert in seinem Buch." (Z. 43f.) Am Ende offenbart sich darüber hinaus, dass der Junge offenbar Interesse an seinem Gegenüber hat, denn er "klappt sein Buch zu" (vgl. Z. 80ff.), um ein Gespräch mit der Protagonistin zu beginnen. Daraus lässt sich erschließen, dass er eine offene Art hat und bereit ist, neue Menschen kennenzulernen. Als dritte Person führt die Erzählerin die "vermeintliche" Freundin ihres Gegenübers an. Sie scheint in ihrem Alter bzw. etwas älter zu sein, da sie die ,,letzte Nacht durchgemacht hat". (Z. 76f.) Daraus folgt, dass sie, wie in Z. 27 beschrieben ist, tief und fest schläft. Die Sätze ,,Sie sieht im Schlaf aus wie ein Engel" und ,,(...) ich kann beim besten Willen nichts Hässliches an ihr finden" in den Zeilen 40-41 lassen darauf schließen, dass sie hübsch ist. Darüber hinaus scheint sie selbstbewusst zu sein und keine Berührungsängste zu haben, denn sie schläft an der Schulter eines fremden Mannes.
FAZIT
Die Kurzgeschichte zeigt damit, dass nicht immer alles so ist, wie es scheint, sondern dass man sich manchmal auch etwas trauen muss, um ans Ziel zu kommen:,,Wer wagt, gewinnt!"