10e 2022 23/Arbeiteraufstand in der DDR/Skript zur Wochenschausendung

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Wochenschaubericht ,,Brennpunkt Berlin"


Acht schicksalhafte Tage für Berlin, vielleicht für Deutschland.

Der Aufstand, ein Protest gegen die Herrschaft des SED-Regimes und ein Bekenntnis zur Wiedervereinigung, wurde durch Maschinengewehrfeuer und Panzer niedergehalten. Nicht nur in Deutschland herrschen Trauer und Empörung. Weit über den Kontinent hinaus horcht man auf. Die Menschen aller Nationen sind erschüttert von dem brutalen Vorgehen der Sowjets. Die Augen der Welt richten sich auf die Vorgänge in Berlin. Dem Westen sind die Gefahren eines zweigeteilten Deutschlands nie deutlicher bewusst geworden.

Der amerikanische Hochkommissar James B. Comment und zahlreiche westdeutsche Politiker eilten nach Berlin, um sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen von einem Geschehen, das Furcht und Hoffnung in einem weckt. Westberlin trägt Trauer. Im Ostsektor aber herrscht Standrecht.

Das Niemandsland ist zur gefährlichen Zone geworden.

25000 sowjetische Soldaten wurden im Ostsektor zusammengezogen.

Verängstigt und unentschlossen stehen die Menschen an den Sektorengrenzen. Bis auf einzelne streng kontrollierte Übergangsstellen sind die Grenzen zwischen Ost- und Westberlin hermetisch verschlossen. Selbst nach Tagen irren Menschen an der Grenze umher. Mancher unter ihnen kann nicht nach Hause. Der Verkehr ist lahmgelegt.

In Westberlin aber geht das Leben seinen gewohnten Gang. Der Impuls einer geordneten Wirtschaft ist überall zu spüren. In den Krankenhäusern werden die Verwundeten des Aufstandes, die im Westsektor Zuflucht fanden, gepflegt. In der Spree spiegelt sich das traurige Gesicht der Stadt. Und Trauer zieht über das Land. Die Flaggen wehen auf Halbmast.

In Bonn rief Bundespräsident Heuss zu einer Trauerfeier für die gefallenen Brüder im Osten. Der Bundespräsident wies auf den Gegensatz zwischen moralischer und formaler Macht im Osten hin und betonte: „Aber die moralische Macht ist hier weggezogen. Sie ist von den hunderten oder tausenden Stahlarbeitern, die von Henningsdorf nach Berlin zogen, auf ihrem Weg zertrampelt worden. Es ist zu wünschen und zu hoffen, dass die russische Politik diesen Vorgang der seelischen Tiefe begreift.“

Und dennoch: Wie in Berlin wehen in ganz Deutschland die Flaggen auf Halbmast. Deutschlands Bevölkerung trauert um die Toten des 17. Juni. Vor dem Rathaus von Schöneberg nahm Bürgermeister Reuther Abschied von den Opfern: „Die Trauer, die in unserem Herzen schwingt, geht auch hinaus in die sowjetische Zone. Ich denke an meine Stadt Magdeburg. Und wir gehen in unseren Gedanken hinaus nach Leipzig zu den Leuner-Werken und das Gebiet des Uranbergbaus. Überall da, wo die deutschen Arbeiter dem kommunistischen Regime gezeigt haben, dass sie eine freie Welt wollen und kein kommunistisches Regime.“

Dann nahm der Bundeskanzler das Wort: „In tiefer Trauer, in tiefem Mitleid, in hoher Bewunderung gedenken wir aller Märtyrer der Freiheit. In tiefem Mitgefühl gedenken wir auch ihrer, der Hinterbliebenen. Seien sie versichert, dass das ganze deutsche Volk an ihrem Leid teilnimmt und mit ihnen fühlt. Möge Gott sie trösten in ihrem Leid. Wir wollen der Toten nicht vergessen und den Lebenden wollen wir helfen. Gott wird mit ihnen und mit uns sein.“ Die Tränen der Hinterbliebenen sind die Tränen der Nation geworden. Mögen diese Trauerglocken Glocken des Friedens und der Freiheit werden für ein einiges, freies Deutschland.